Das Wurster Freeheitsleed

Das „Wurster Freeheitsleed“ von 1988 verbindet Marschlandschaft, Deichschutz und Freiheitsgeschichte zu einem starken Identitätstext. Wir zeigen Kontext, Übersetzungshilfen, historische Bezüge – und präsentieren den vollständigen Liedtext mit Einordnung und Orten zum Nachgehen.

Plattdeutsches Lied als Identitätsanker

Wurster Freeheitsleed – schon im ersten Vers steckt, was die Region bis heute prägt: das Ringen mit der Nordsee, der Zusammenhalt beim Deichbau und die Erinnerung an die Wurster Freiheit. Das 1988 entstandene plattdeutsche Lied bündelt diese Themen in eingängigen Bildern: Wurt, Deich, Kirche – und das große „Wi“ (Wir).

Worum es geht – in zwei Sätzen

Das Lied beschwört die Stärke einer Küstengemeinschaft, die sich gegen Sturmfluten und „hoge Herren“ behauptet. Es greift historische Erinnerungsorte und Ereignisse auf – vom Deichschutz bis zur Schlacht am Kirchhof von Mulsum (1524/25) – und macht daraus ein modernes Bekenntnis zur regionalen Identität.

Chorprobe zum Wurster Freeheitsleed im Gemeindesaal mit Blick auf Deich und Kirche
Wie das Wurster Freeheitsleed in Proben und Alltag wuchs

Der vollständige Liedtext (1988)

Dat WURSTER FRESEN Freeheitsleed
Uns Land bedrauht de Norder See, doch Wurster wieken nich vun de Stee! Wi boen tosamen Wurt un Dieken Hand in Hand, bruukt nich to wieken!

Wurster Fresen, de blievt jümmer free!

Fast wüllt wi all tosamen stahn,
denn kann uns keen-een wat andahn! „Gott bewahre Damm un Dieken,
Siel un Bullwark un derglieken!“

Wurster Fresen, de blievt jümmer free!

Doch hoge Herren ut de Stadt,
de griept nah uns, wi lacht jem wat. Karkenlüüd un Rittersmann!
Wi sünd nich bang! – Staht as een Mann!

Wurster Fresen, de blievt jümmer free!

Un kaamt ji ok – veeldusendfach -,
wi jaagt jo weg, ji Düwelspack! Uns Karken sünd een faste Borg,
dorinn’n Kinner un Froon hebbt keene Sorg.

Wurster Fresen, de blievt jümmer free!

Un Schuller an Schuller wi Wurster Buurn strieten mächtig un brav an Karkenmuurn!

Bloots eenmal – foffteihn-veeruntwintig –
bi de Mulsumer Kark weern wi nich eenig! – – – Meist Dusend mussen starven dör de Övermacht vun’n Bremer Bischopp bi de Karkhoffschlacht.

Wurster Fresen, de blievt jümmer free!

Doch uns Wurster Aart blifft jümmer free för all de Tieden – op Land un to See!

Wurster Fresen, de blievt jümmer free!

(Liedtext 1988)

Historische Verteidigung am Kirchhof von Mulsum als Bild zum Wurster Freeheitsleed
Das Wurster Freeheitsleed ruft die Kirchhofsschlacht in Erinnerung

Einordnung: Warum dieses Lied wirkt

  • Sprache als Heimat: Plattdeutsch erdet – Wörter wie Wurt, Diek, Bullwark holen den Alltag ins Lied und knüpfen an Jahrhunderte Küstenschutz an.
  • Kirche als Zuflucht: „Uns Karken sünd een faste Borg“ – Kirchen waren in den Marschen oft die einzigen massiven Schutzräume, spirituell und physisch.
  • Geschichte im Refrain: Der wiederkehrende Ruf „Wurster Fresen, de blievt jümmer free!“ verbindet die Friesische Freiheit mit heutiger Selbstbehauptung.
  • Erinnerung an Mulsum (1524/25): Die Strophe zur Karkhoffschlacht verankert Trauer und Leid im kollektiven Gedächtnis – und rahmt sie als Mahnung.

Begriff erklärt: Plattdeutsch, Wurt, Bullwark

  • Plattdeutsch (Niederdeutsch): Norddeutsche Regionalsprache mit reicher Lied- und Erzähltradition.
  • Wurt (Warte/Wurt): Künstlicher Siedlungshügel in der Marsch, Schutz vor Sturmfluten.
  • Bullwark: Massiver Schutzbau (z. B. hölzerner/steinerner Schutz an Deich- oder Hafenanlagen).
  • Kark/Karken: Kirche/Kirchen (plattdeutsch), oft zentraler Orts- und Schutzpunkt.
Nachklang des Wurster Freeheitsleed an Kirche, Deich und Friedhof in Land Wursten
Wie das Wurster Freeheitsleed im Ort weiterklingt

Historische Bezüge im Lied – kurz & klar

  • Küstenschutz als Gemeinschaftsaufgabe: „Wi boen tosamen Wurt un Dieken“ – Bau und Unterhalt von Deichen, Sie len und Sielen war Pflicht aller Anwohner.
  • Konflikt mit Obrigkeiten: „Hoge Herren ut de Stadt“ erinnert an Machtkämpfe mit geistlichen und weltlichen Herren (z. B. Erzstift Bremen).
  • Mulsum 1524/25: Der „Karkhoff“ (Kirchhof) wurde zum Kampfplatz. Der Verweis auf „Bremer Bischopp“ spiegelt die militärische Übermacht, der die Bauernrepublik weichen musste.

Kleine Übersetzungshilfen (Auswahl)

  • wi wieken nich vun de Stee – wir weichen nicht vom Platz
  • Schuller an Schuller – Schulter an Schulter
  • Düwelspack – Teufelspack (heftige Beschimpfung)
  • keen-een – niemand
  • brav – tapfer

Zeitleiste 1. Jh. – 20. Jh. (stark verkürzt)

  • 1.–5. Jh.: Wurtensiedlungen in der Region (z. B. Feddersen Wierde).
  • 13.–15. Jh.: Land Wursten als Bauernrepublik, Friesische Freiheit.
  • 1508: „Würster Willkür“ an der Sieverdyshamm Wehlsbrücke verlesen (Rechtskodifikation).
  • 1517: Gefecht am Wremer Tief (Tjede Pekes in der Überlieferung).
  • 1524/25: Schlacht am Kirchhof von Mulsum – Bruch der Autonomie.
  • 1988: Wurster Freeheitsleed – musikalische Erinnerung in Platt.

„Was heute sichtbar ist“

  • Kirchhöfe mit massiven Kirchenmauern (z. B. in Mulsum): Sie zeigen, warum die Kirche als „Borg“ im Lied vorkommt.
  • Altdeichzüge und Sielen in der Marschlandschaft: Sie machen den Refrain vom „Damm un Dieken, Siel un Bullwark“ erfahrbar.
  • Gedenkorte (z. B. Sieverdyshamm Wehlsbrücke): Erinnern an Rechtssetzung und Gemeinschaftshandeln.

Orte besuchen

Sieverdyshamm Wehlsbrücke | Thing-Ort, Hinweis auf die „Würster Willkür“ (1508).
Lage: südlich der Feddersen Wierde, Feldweg bei Ellernwurth.

Kirche Mulsum | Backsteinbau, historischer Kirchhof – Bezug zur Karkhoffschlacht.
Lage: Ortsmitte Mulsum, Kirchspielstraße.

Museum Burg Bederkesa | Archäologie & Regionalgeschichte, Karten und Modelle zur Marschkultur.
Lage: Bad Bederkesa, Burgstraße.

👉 Unsere Orte findest du gesammelt in der Google-Maps-Liste der Redaktion (Link folgt).
Aktuelle Fotos & Wegbeschreibungen zu Highlights:
Sehenswürdigkeiten des Land Wurstenhttps://www.land-wursten.de/sehenswuerdigkeiten-des-land-wursten/

Hinweis: Einige Areale liegen auf Privatflächen oder in Schutzgebieten. Bitte Wegegebot und Hinweise vor Ort beachten.

Erinnerungskultur: Vom Chorheft bis zum Dorffest

Das Wurster Freeheitsleed wird bei regionalen Festen, Vereinsfeiern oder Gedenktagen gern aufgeführt. Dadurch bleibt die plattdeutsche Sprache hörbar – und Geschichte wird zum Gemeinschaftserlebnis. Das Lied eignet sich zudem für Schulprojekte: Sprache, Geschichte und Landschaft lassen sich miteinander verbinden.

Quellenlage & Unsicherheiten

  • Gesichert: Historische Eckdaten (Mulsum 1524/25; Rechtskodifikation 1508), Rolle der Kirchen als Schutzraum, zentrale Begriffe des Küstenschutzes.
  • Plausibel/Überlieferung: Lokale Deutungen einzelner Kampfdetails; konkrete Aufführungskontexte des Liedes zwischen 1988 und heute variieren.
  • Hinweis zum Text: Der hier wiedergegebene Liedtext stammt aus dem Projektarchiv und wird mit Rechtefreigabe publiziert.

Was Du hier lernen konntest:

  1. Sprache stiftet Wir: Plattdeutsch macht Geschichte nahbar.
  2. Kirche, Deich, Gemeinschaft: Die Bilder des Liedes sind bis heute sichtbar.
  3. Trauer und Trotz: Mulsum steht für den Preis der Freiheit – der Refrain antwortet mit Selbstbehauptung.

Quellen (genau 3)

[1] Projektarchiv Land-Wursten.de — Redaktion (2025). Wurster Freeheitsleed (1988): Text & Kontext. Abgerufen am: 09.10.2025. https://www.land-wursten.de/
[2] Museum Burg Bederkesa — Landkreis Cuxhaven (o. J.). Archäologie & Regionalgeschichte: Marsch, Deich, Wurt. Abgerufen am: 09.10.2025. https://www.museen-cuxhaven.de/
[3] Niedersächsische Landesbibliothek / Universitätsverbund (o. J.). Plattdeutsch in Niedersachsen: Sprache & Überlieferung. Abgerufen am: 09.10.2025. https://www.nlb-hannover.de/

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Lebstedt war reich, gesegnet und stolz – zu stolz. Die Bauern streuten Weizenmehl auf ihre Böden, bis eines Nachts eine fromme Frau ein Zeichen erhielt: ein Aal im Herd. Sie floh – und kurz darauf verschlang eine Sturmflut das Dorf.

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