Verlauf, Orte, Erinnerung
Die schlacht am kirchhof mulsum ist der militärische Kulminationspunkt des Wurster Freiheitskampfes. Im Spätsommer 1524 stießen auf dem Kirchhof von St. Marien Mulsum die Wurster Aufgebote mit dem Heer des Erzbischofs Christoph von Braunschweig-Wolfenbüttel zusammen. Zeitgenössische und spätere Berichte stimmen im Kern: Die Wurster waren dem professionellen Kriegsvolk klar unterlegen, der Kirchhof wurde zum Schlachtfeld, das Land erlebte Plünderungen – und der Weg zum Stader Frieden (1525) war vorgezeichnet. Dieser Beitrag führt dich Schritt für Schritt durch den Verlauf, erklärt die Topografie und zeigt, was du heute vor Ort noch erkennst. [1][2][3]
Ausgangslage: Von Wremer Tief (1517) nach Mulsum (1524)
Nach der Niederlage am Wremer Tief im Dezember 1517 setzte der Erzbischof ein starkes Zeichen: Burg Morgenstern am Deich von Weddewarden – eine Zwingburg zur Kontrolle von Sieltief und Marschwegen. Schon 1518 wurde sie im Aufruhr zerstört, doch Christoph blieb am Drücker. Er organisierte Finanzen und Kriegsknechte, spannte städtische Verbündete ein und bereitete den entscheidenden Feldzug vor. [2]
Zwischen 1518 und 1524 verdichtete sich der Druck auf die Wurster Kirchspiele. Deich- und Sielpflicht liefen weiter, aber Rüstung und Abgabenforderungen stiegen. Im Sommer 1524 sammelte der Erzbischof 8.000–9.000 Knechte und etwa 1.500 Reiter für den Vorstoß in die Marsch – Zahlen, die in kirchlichen und regionalen Darstellungen wiederkehren. Ziel: Wursten und Hadeln militärisch niederzwingen. [3]

Der Ort: Warum Mulsum?
Mulsum liegt auf einer Dorfwurt, umgeben von Gräben, Weiden und alten Specken (erhöhten Marschwegen). Der Kirchhof von St. Marien bildet einen befestigten Hochpunkt in der flachen Marsch – trocken, übersichtlich, mit Mauern/Zäunen. In mittelalterlichen Konflikten wurden Kirchhöfe oft zu Verteidigungsplätzen, weil sie Raum boten, Ziviles und Militärisches zu trennen – jedenfalls in der Absicht.
Für 1524 ist Mulsum aus zwei Gründen zentral:
- Topografie – wer den Hochpunkt hält, kontrolliert Wege in Mitte der Wurster Marsch.
- Symbolik – Kampf am Kirchhof zeigt, wie sehr der Konflikt den Lebensnerv der Gemeinden traf.
Schlachtverlauf – rekonstruiert in vier Bildern
1) Aufmarsch und Zuführung (über Sievern)
Erzbischöfliche Kontingente rückten über die Geestkante bei Sievern in die Marsch vor. Die Route nutzt trockene Wege und Übergänge, die auch größerem Tross standhalten. Vorhuten sicherten Gräben und Dämme. [3]
2) Wurster Stellung am Kirchhof
Die Wurster zogen sich auf den Kirchhof zurück. Dort konzentrierten sich Bauernhaufen aus mehreren Kirchspielen. Man hatte wenige Geschütze und Hakenbüchsen, deren Handhabung in Berichten als ungeübt gilt. Der Kirchhof ist zugleich Rückhalt und Falle: wenig Tiefe, kaum Raum für Manöver. [1][3]
3) Angriff & Durchbruch
Die erzstiftliche Infanterie (Landsknechte mit Spießen, Hellebarden, Büchsen) band die Front; Reiter setzten an den Flanken Druck. Mit Überzahl, Erfahrung und Ausdauer kam es zum Durchbruch in die dichten Reihen der Verteidiger. Die Quellen sprechen von hohen Verlusten auf Wurster Seite – konkrete Zahlen schwanken und sind mit Vorsicht zu lesen. [1][3]
4) Zerfall der Ordnung & Folgen
Nach dem Fall der Stellung zerstreuten sich die Aufgebote. Es folgten Plünderungen und Zwangsmaßnahmen im Land. Der militärische Widerstand war gebrochen; 1525 regelte der Stader Friede die Einbindung Wurstens ins Erzstift Bremen (Vögte statt Ratgeber). [3]
Kernthese: Mulsum ist die militärische Entscheidung, der Stader Friede die rechtliche Zäsur.

Was heute am Kirchhof sichtbar ist
- St.-Marien-Kirche Mulsum: mittelalterlicher Feldsteinbau auf Wurt; der Friedhof war 1524 das Schlachtfeld. Bitte Rücksicht – es ist ein sakraler und privater Raum. [1]
- Dorfwurt & Gräben: leichte Geländekante um Kirche und alte Hoflagen; Gräben und Weiden erklären, wie eng Bewegungskorridore waren.
- Wegeachsen (Specken) im Umfeld: Straßenverlauf und Feldwege greifen alte Marschkämme auf – wer hier marschierte, musste linear denken.
Begriff erklärt
- Wurt (Wierde/Warft): Aufgeworfener Siedlungshügel in der Marsch, Schutz vor Hochwasser.
- Specken: Erhöhte Marschwege, oft schmal, lenken Verkehr und Truppenbewegung.
- Zwingburg: Befestigung zur Kontrolle eines Gebietes (Burg Morgenstern 1517/18), weniger zur Fernverteidigung. [2]
- Vogt: Erzbischöflicher Verwalter/Richter; nach 1525 ersetzten Vögte die 16 Ratgeber des Landes.

Orte besuchen
St.-Marien Mulsum (Kirche & Kirchhof) | Ort der Schlacht 1524; Feldsteinbau, umgeben vom historischen Kirchhof. Lage: Mulsumer Dorfstraße, 27639 Wurster Nordseeküste. Hinweis: Sakral-/Friedhofsfläche – Rücksicht, Wege nutzen. [1]
Weddewarden – Burgstelle „Morgenstern“ | 1517/18 errichtete Zwingburg des Erzbischofs; 1518 zerstört; später Gasthof „Schloss Morgenstern“. Lage: Burgstraße / Deichlinie, Bremerhaven-Nord. Hinweis: teils Privat-/Gewerbeflächen. [2]
Wremer Tief / Kutterhafen | Kontext 1517; Deich, Sieltief, Gräben zeigen die taktischen Linien der Marsch. Lage: Hafenstraße, Wremen.
Aktuelle Fotos & Wegbeschreibungen:
Sehenswürdigkeiten des Land Wursten — https://www.land-wursten.de/sehenswuerdigkeiten-des-land-wursten/
Zeitleiste 1517–1525
- 1517 (23.12.): Wremer Tief – Niederlage der Wurster; Burg Morgenstern wird am Deich errichtet. [2]
- 1518: Zerstörung der Zwingburg im Aufruhr; der Konflikt bleibt ungelöst. [2]
- 1524 (Spätsommer): Schlacht am Kirchhof Mulsum – Wurster Niederlage nach Überzahl/Erfahrung des erzstiftlichen Heeres. [3]
- 1525 (Juni): Stader Friede – Wursten dauerhaft beim Erzstift Bremen; Vögte ersetzen die Ratgeber. [3]
Methoden & Quellenlage – kurz und offen
Prosopografie & Aktenlage: Für 1524 sind Truppenstärken und Detailmanöver nicht in einer einzigen zeitgenössischen Komplettquelle überliefert. Wir stützen uns auf Archivbeiträge (Stader Friede/Einordnung), kommunale Dossiers (Burg Morgenstern als Druckmittel seit 1517) und kirchliche Darstellungen (konkret zu Zahlen des Heeres und zur Entscheidung auf dem Kirchhof). So entsteht ein Kernbild: Übermacht, kirchhofgestützte Defensive, Durchbruch, Plünderungen, Rechtsfolge 1525. [1][2][3]
Datierungsprobleme: Exakte Tagesdaten für Gefechtsphasen 1524 schwanken; der Spätsommer gilt als gesichert. Zahlen zu Toten variieren – belastbare Primärstatistiken fehlen.
Streitfragen & Einordnung
- Wie groß war das Heer? Die oft genannten 8.000–9.000 Knechte / 1.500 Reiter erscheinen in kirchlichen und lokalen Darstellungen; als Größenordnung plausibel, aber nicht exakt beurkundet. [3]
- Warum am Kirchhof? Mischung aus Topografie (Hochpunkt, Umfriedung) und Symbolik (Gemeindemittelpunkt).
- War Mulsum die „Schlussentscheidung“? Militärisch: ja. Rechtlich vollzogen durch den Stader Frieden 1525. [3]
Quellenlage & Unsicherheiten (Infokasten)
- Gesichert (Kern): Schlacht am Kirchhof Mulsum (1524), militärische Niederlage der Wurster, anschließende Plünderungen, Stader Friede 1525 als rechtliche Zäsur. [1][3]
- Belegt vor Ort: Burg Morgenstern als Zwingburg 1517/18, heute in Stadtteilgeschichte Weddewarden präsent (Stadtarchiv). [2]
- Unsicher/variabel: Exakte Truppenzahlen, Verluste, Feinablauf der Schlacht – Zahlen sind indiziengestützt, nicht statistisch gesichert. [3]
Was es hier zu lernen gab:
- Topografie entscheidet: Wurt, Kirchhof, Specken – die Landschaft erklärt die Schlacht.
- Machtpolitik sichtbar: Burg Morgenstern als Vorzeichen der späteren Entscheidung. [2]
- Mulsum = militärischer Kipppunkt, Stade 1525 = rechtliche Zäsur. [1][3]
- Quellen nüchtern lesen: Zahlen sind Richtwerte, nicht Kassensturz. [3]
- Ort mit Verantwortung besuchen: Kirche/Friedhof sind Ruheräume – Geschichte im leisen Ton.
Quellen
[1] „Aus den Magazinen des Landesarchivs“ (Juni 2025): Wurstfriesen & Stader Friede. — Niedersächsisches Landesarchiv. Einordnung der Ereignisse 1515–1525 und des Stader Friedens; Kontext der Eingliederung Wurstens. Abgerufen am: 05. Oktober 2025. https://nla.niedersachsen.de/startseite/landesgeschichte/aus_den_magazinen_des_landesarchivs/2025/aus-den-magazinen-des-landesarchivs-juni-2025-238757.html (Landeskirche Hannovers)
[2] Burg und Gaststätte „Morgenstern“. — Stadtarchiv Bremerhaven (o. J.). Kurzdossier zur Zwingburg 1517/18 und zur aufgelösten Bauernrepublik. Abgerufen am: 05. Oktober 2025. https://www.bremerhaven.de/de/freizeit-kultur/stadtarchiv/geschichte-der-stadtteile/ueberseehaefen/burg-und-gaststaette-morgenstern.51670.html (Seestadt Bremerhaven)
[3] Landeskirche Hannovers (2024): Landesbischof Meister erinnert an „Schlacht um die Wurster Freiheit“. Pressemitteilung mit knapper Rekonstruktion (Heeresstärken, Entscheidung am Kirchhof Mulsum). Abgerufen am: 05. Oktober 2025. https://www.landeskirche-hannovers.de/presse/nachrichten/2024/07/31-landesbischof-meister-erinnert-an-schlacht-um-die-wurster-freiheit (Landeskirche Hannovers)
Hinweis: Lokale Detaildarstellungen (z. B. Wremer Chronik / „Mulsum.pdf“) vertiefen den Ablauf, sind aber als vierte Quelle hier nicht aufgeführt, um die geforderte Dreierauswahl (Landesarchiv, kommunales Archiv, kirchliche Institution) einzuhalten.













