Sage von Themeln

Sonnenaufgang über der ersten Wurt bei Themeln – Sage von Themeln im Land Wursten.
Zwei Brüder lebten auf der Pipinsburg, doch Streit trennte sie. Der Jüngere verließ die Burg und baute in der weiten Marsch auf einer Wurt ein Haus. Als er vollendet hatte, sprach er: „Hier wird er sich wohl beruhigen.“ Noch heute erinnert der Ort Themeln an diesen Neubeginn.

Themeln – Wie das erste Haus im Land Wursten entstand

Lange bevor im Land Wursten Dörfer standen und die Deiche das Meer zurückhielten, lag das Land weit und leer da – eine flache, graue Weite aus Wasser, Schlick und Grasinseln. Nur an den Rändern, wo die Geest sich hob, erhoben sich Spuren von Menschenhand. Dort, bei Sievern, stand die Pipinsburg, eine alte Feste aus Stein und Erde, und in ihr lebten zwei Brüder.

Beide waren stark und stolz, und keiner wollte dem anderen weichen. Erst hatten sie gemeinsam gejagt, gerodet und über das Land geboten, doch bald kam es zwischen ihnen zu Streit. Mal ging es um das Jagdrecht, mal um Besitz, mal um nichts als Eigensinn. Was als Zank begann, wurde mit jedem Jahr bitterer.

„Dies Land ist zu klein für uns beide“, sprach eines Abends der Jüngere, als sie am Feuer saßen.
„Dann geh“, antwortete der Ältere, ohne aufzublicken. „Aber nimm dich in Acht – draußen ist nur Wasser und Wind.“

Da schwieg der Bruder, doch sein Entschluss stand fest. Noch in derselben Nacht verließ er die Burg. Er ritt gen Norden, durch Sümpfe und über alte Wasserläufe, bis das Land sich weitete und der Boden zu atmen schien. Hier war niemand, nur das Pfeifen des Windes und das ferne Rufen der Gänse.

Er fand eine Stelle, an der sich ein alter Priel durch das Land zog – die Lenmarsch –, und sagte sich: Hier will ich bleiben. Tagelang arbeitete er allein. Mit einer Schaufel aus Holz, mit Händen und Spaten warf er Erde auf Erde, Schlick auf Schlick. So wuchs eine runde Wurt, hoch über das flache Land erhoben, wie eine Insel im Meer.

Als das Werk vollbracht war, errichtete er dort das erste Haus im Land Wursten – ein schlichtes Hallenhaus aus Eichenholz, mit einem Dach aus Reet. Und als er das letzte Sparrenholz einfügte, trat er hinaus in den Wind, sah über die Marsch und sprach mit müder Freude:

„Hier schall he sük wol betämeln!“ – „Hier wird er sich wohl beruhigen.“

So erzählt man, sei der Ort Themeln zu seinem Namen gekommen.

Die Jahre gingen, das Meer wich zurück, und um die alte Wurt wuchs neues Land. Später siedelten Bauern in der Nähe, errichteten Höfe, pflügten den schweren Boden. Doch in der Mitte der Wurt, so berichten die Alten, sei noch immer ein besonderer Platz.

Noch vor wenigen Menschenaltern, erzählten sie, habe man dort beim Pflügen ein merkwürdiges Grollen gehört – ein dumpfes, rollendes Geräusch, als ob unter der Erde etwas Lebendiges atme. „Das ist der alte Keller“, sagten die Leute dann. „Dort unten liegt der Grundstein des ersten Hauses im Land Wursten.“

Und wenn an windstillen Tagen die Sonne über Themeln steht und der Boden leicht vibriert, meinen manche, man könne ihn noch hören – den Atem der alten Wurt, die Erinnerung an jenen Mann, der Frieden suchte und damit das Land begründete.

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