Rotthausen – Wie der Flecken zu seinem Namen kam
Wenn man von Dorum über Themeln nach Padingbüttel wandert, wo die Landstraße sich sanft durch Felder und Weiden zieht, kommt man an einer kleinen Gruppe alter Höfe vorbei. Zwischen Wind und Weite liegen sie, geschützt von Erdwällen und alten Weiden – Rotthausen nennen die Leute diesen Flecken. Der Name klingt schlicht, doch er trägt die Erinnerung an einen Mann, der hier vor vielen Jahrhunderten lebte und dessen Nachkommen das Land mit Leben füllten.
Damals, als die Marsch noch jung war und die Dörfer weit voneinander lagen, wohnte zwischen Themeln und Padingbüttel ein Bauer namens Rott. Er war ein kräftiger, wettergebräunter Mann, so erzählt man, mit einem langen grauen Bart und Augen, die den Himmel und das Meer kannten. Sein Hof stand auf einer großen Wurt, hoch aufgeworfen gegen Wind und Flut. Wer von Dorum kam, sah zuerst sein Haus – fest, breit und mit einem Strohdach, das golden in der Sonne schimmerte.
Rott war ein tüchtiger Mann, und der Boden belohnte ihn. Jahr um Jahr trug sein Land gutes Korn, und die Weiden gaben reichlich Milch. Doch das größte Glück waren seine Kinder – viele hatte er, so viele, dass man sie in den Nachbardörfern schon „die Rottensippe“ nannte. Wenn man im Sommer durch die Felder ging, hörte man sie lachen und singen, sah sie Heu tragen, Zäune flicken, Pferde führen.
Als die Jahre vergingen und der Alte spürte, dass seine Kräfte schwanden, rief er seine Kinder zusammen. Sie saßen mit ihm im Abendlicht vor dem Hof, die Sonne stand tief über der Marsch, und die Luft roch nach Heu und Meer. „Ihr habt gesehen,“ sagte Rott, „wie ich dieses Land gepflegt habe. Nun teilt es gerecht unter euch, dass jeder von euch seinen eigenen Hof habe. Doch vergesst nicht, woher ihr kommt – von dieser Wurt, die uns vor dem Wasser schützte und von der wir leben.“
So teilten die Kinder das Land. Einer nach dem anderen errichtete seinen Hof entlang der Straße, jeder nahe genug, um den Rauch aus dem Schornstein des anderen zu sehen. Wenn Wanderer vorbeikamen und fragten, wo sie wohnten, antworteten sie: „Bei Rott – auf Rotthausen.“
So blieb der Name, erst gesprochen, dann geschrieben. Über die Jahrhunderte wuchs der kleine Flecken, Häuser kamen hinzu, Dächer wurden erneuert, Generationen gingen, und doch blieb der Klang derselbe. Noch heute, wenn der Wind über die Felder streicht und das Gras an den Deichkanten flüstert, sagen die Alten: „Hier wohnte einst Rott – und seine Kinder bauten ihre Häuser rund um ihn.“
Und wer an stillen Sommerabenden dort entlanggeht, meint manchmal, das ferne Klingen einer Sense zu hören, das Schnauben eines Pferdes, das Rufen über die Felder – Stimmen aus einer Zeit, als das Land neu und die Menschen eins mit ihm waren.







