Die Imsumer Taufe – Störtebekers Geschenk an die Kirche
Wenn du heute in die Kirche von Imsum trittst und den Blick nach vorn richtest, wirst du dort ein Taufbecken sehen, das so alt ist, dass selbst die ältesten Dorfbewohner nur den Kopf schütteln, wenn man sie nach seinem Ursprung fragt. Es ist aus Bronze gegossen, schwer und dunkel vom Alter, mit einer Inschrift, die nur der entziffern kann, der einen Spiegel zur Hand nimmt. Doch wer sich die Mühe macht, der entdeckt darin lateinische Worte, die von Glauben, Zeit und Geheimnis erzählen.
Die Inschrift spricht von einer Taufe, gegossen im Jahr 1384, am Tag der Verkündigung Mariä. Doch kein Wort verrät, wo dieses Werk einst entstanden ist – und wie es den weiten Weg in die stille Marsch fand. Man erzählt, dass es nicht in hiesigen Landen gefertigt wurde, sondern unter südlicher Sonne, vielleicht in einem Kloster im unteren Italien, wo fromme Mönche mit ruhiger Hand und großer Kunstfertigkeit an den Bronzeguss herangingen. Es soll dort für eine reiche Kirche bestimmt gewesen sein, vielleicht gar für eine Kathedrale, und niemand hätte damals geahnt, dass dieses heilige Gefäß eines Tages in die Hände eines Mannes fallen würde, dessen Name selbst im Norden gefürchtet war: Klaus Störtebeker.
Der Seeräuber, so erzählt man, zog mit seiner Schar über die Meere, von der Nordsee bis ins Mittelmeer. Er raubte nicht nur Gold und Silber, sondern auch Dinge von seltener Schönheit, die ihm gefielen. Eines Nachts, so heißt es, überfiel er ein Kloster an der italienischen Küste. Die Mönche hatten keine Waffen, nur Gebete. Doch der Sturmtrupp war schneller als jedes Amen, und bevor der Morgen graute, trug man kostbare Beute an Bord – darunter auch ein schweres, glanzvolles Becken aus Bronze, mit eingravierten Sprüchen und Wappen.
Viele Wochen später, als Störtebeker wieder nordwärts zog, geriet seine Flotte in einen furchtbaren Sturm. Donner rollte über das Meer, und die Schiffe kämpften gegen Wind und Wellen. Schließlich suchte der Seeräuber Zuflucht an der Wurster Küste. Die Männer ankerten nahe der Mündung der Weser, dort, wo das Land flach und der Wind unerbittlich ist. In Imsum, so erzählt man, lagerten sie und fanden in den einfachen Bauern freundliche Aufnahme. Vielleicht rührte es ihn, der sonst keine Gnade kannte, dass diese Menschen, arm und wettergegerbt, ihm ohne Furcht begegneten.
Da soll er, in seltener Milde, das Taufbecken zum Geschenk gemacht haben – der Kirche, die damals klein und schlicht war. „Nehmt es“, soll er gesagt haben, „es hat lang genug dem Meer gehört. Nun diene es dem Himmel.“ Dann segelte er fort, und keiner hat ihn je wieder an der Küste gesehen.
Seit jener Zeit steht das Taufbecken in der Imsumer Kirche. Kinder wurden darin getauft, Generation um Generation. Der Glanz des Metalls ist längst matt geworden, doch das Werk selbst trotzt den Jahrhunderten. Wer es heute betrachtet, kann in den Verzierungen Köpfe, Kreuze und seltsame Muster erkennen. Und am Rand, in kaum lesbarer Schrift, den Namen Her Diderik Kornepagh – vielleicht der Gießer, vielleicht ein früher Besitzer.
Die Gelehrten nennen die Geschichte um Störtebeker ein Märchen. Doch wenn man an stillen Tagen in der Kirche sitzt und das Licht durch die schmalen Fenster fällt, dann scheint es, als flimmere das Bronzegefäß in einem warmen, goldenen Schimmer. Und vielleicht ist es nur Einbildung, doch man meint, fern draußen das Rauschen des Meeres zu hören – als erinnere sich das alte Becken noch an seine Reise über die Wellen.







