Sage vom Seegrund und der Schiffshöhe

Ein Mann blickt bei Sonnenuntergang vom Seegrund zur Schiffshöhe – stille Sage aus dem Land Wursten
Nahe der Kransburg liegen zwei geheimnisvolle Orte: der Seegrund und die Schiffshöhe. Heute liegt dort nur Land, doch einst reichte das Meer bis an die Geest. Alte Sagen erzählen, dass Schiffe hier anlegten, wo nun Felder stehen – Erinnerungen an eine Zeit, als Wellen das Land umspülten.

Seegrund und Schiffshöhe – als das Meer kam

Wenn du von der Kransburg aus nordwärts wanderst, wo die Marsch langsam in die Geest übergeht, öffnet sich eine Landschaft, die still und weit daliegt. Gras weht über die alten Wege, Gräben glitzern in der Sonne, und manchmal scheint es, als liege noch ein Hauch von Salz in der Luft – als käme die See selbst herauf, um die alte Zeit zu besuchen. Dort draußen, sagen die Alten, liegt der „Seegrund“, und etwas östlich davon erhebt sich eine kleine Anhöhe, die „Schiffshöhe“ genannt wird.

Heute fährt dort kein Schiff mehr, und das Meer ist weit. Doch in grauer Vorzeit, bevor Deiche gebaut und das Land trockengelegt wurde, war alles anders. Die Wellen der Nordsee reichten bis an den Fuß der Geest. Das weite Land, das wir heute Marsch nennen, war ein unruhiges Grenzland aus Wasser und Erde – von Prielen durchzogen, von kleinen Strömungen gezeichnet, die sich wie Adern durch den feuchten Boden zogen. Damals, so erzählt man, konnte man an stillen Tagen den Wellenschlag bis an die Hügel hören, und Möwen kreisten dort, wo heute Kühe grasen.

Die Menschen jener Zeit lebten auf Warften und kleinen Anhöhen, und sie wussten, wie sie mit dem Meer zu leben hatten. Ihre Boote waren schmal und flach, gebaut aus Eichenholz, mit Teer abgedichtet gegen das Salz. Wenn die Flut kam, zogen sie durch die Priele und Wasserlößen, die sich wie silberne Wege durchs Land zogen. So erreichten sie Orte, die wir heute für unmöglich halten – bis an den gewachsenen Boden der Geest, wo der Grund fester wurde und das Wasser langsam versiegte.

Die Alten nannten solche Stellen „deepe Stee“ – tiefe Stätten, wo Schiffe sicher liegen konnten. Man erzählt, dass an solchen Plätzen Händler anlegten, um Felle, Salz und Bernstein zu tauschen, und dass Fischer dort ihre Netze flickten, während Kinder am Rand der Flut Muscheln sammelten. Der Wind trug den Geruch des Meeres herauf, vermischt mit dem Duft von feuchtem Gras und Torf.

So erklärt sich auch der Name Debstedt, sagen manche – aus jenem alten Wort für eine tiefe, schiffbare Stelle. Und ebenso sollen die Orte „Seegrund“ und „Schiffshöhe“ ihre Namen behalten haben, als Erinnerung an jene ferne Zeit, da die See noch näher war und das Land atmete wie ein lebendiges Wesen zwischen Ebbe und Flut.

Wenn man heute dort steht, an einem stillen Abend, wenn Nebel vom Land heraufzieht und die Kransburg wie ein dunkler Schatten über den Feldern liegt, dann kann man sich das Meer beinahe wieder vorstellen. Der Boden ist weich, das Riedgras flüstert, und manchmal hört man ein fernes Rauschen, das kein Wind sein kann. Dann, so sagen die Ältesten, erzählen Seegrund und Schiffshöhe noch immer von der Zeit, als die Wogen an der Geest brandeten und Schiffe im Wind sangen, wo heute nur das Land schweigt.

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