Ressourcenlogistik für die Marsch an der Wurster Nordseeküste
Holz von der Geest war über Jahrhunderte eine Lebensader für die Marsch. In der niederungsreichen Wurster Nordseeküste standen Siedlungen auf Wurten und später hinter Deichen – aber Bauholz wuchs hier kaum. Das Material kam aus den höher gelegenen, bewaldeten Geestgebieten und wurde über Wege und Wasserwege bis an die Küste gebracht. Aus dem Holz entstanden Wohnstallhäuser, Sielbauwerke, Bohlenwege, Faschinen und Hilfskonstruktionen im Deichbau. Archäologie, Küstenschutzgeschichte und Museumsbestände belegen diese Logistik bis in die Neuzeit. [10](Wikipedia)
Marsch braucht Holz – Geest liefert
Die Geest ist ein sandiger, höher liegender Landschaftsraum mit (früher) größerem Holzvorkommen; die Marsch ist junge, meernahe Niederung. Historisch wurde die Geest früher besiedelt und diente als Rohstoffraum – die Marsch profitierte davon. [10][6](Wikipedia)
In Land Wursten zeigen Wurten wie Feddersen Wierde (1.–5. Jh. n. Chr.) die frühe Marschsiedlung: Langhäuser, Zäune, Wirtschaftsgebäude – Konstruktionen, für die dauerhaftes Eichenholz und anderes Bauholz nötig war. Grabungen wurden grundlegend durch das Niedersächsische Institut für historische Küstenforschung (NIhK) publiziert. [0][15][11][12][14](Wikipedia)
Kernaussage: Die Marsch verfügte kaum über eigenen Wald; Holz von der Geest (und aus Flussoberläufen) deckte den Bedarf an Bau-, Konstruktions- und Brennholz. (Interne Projekt-Notizen; zur allgemeinen Geest-Marsch-Differenz siehe [6], [10].) (Lexikon des Agrarraums)

Archäologische Einblicke: Hausbau, Wege, Material
Feddersen Wierde – Hausbau in der Marsch
Die Langhäuser der Feddersen Wierde wurden detailliert untersucht: Bauabfolgen, Pfostengruben, Reparaturen, Materialwahl. Die Standardpublikation Haarnagel 1979 („Die Grabung Feddersen Wierde“) bleibt Referenz; weitere Auswertungen (Keramik, Geräte, Datierungen) folgten. [5][11][12][14] (archaeologydataservice.ac.uk)
Das Materialprofil (u. a. Eiche für tragende Teile) ist in der norddeutschen Feuchtbodenarchäologie üblich; die Erhaltung ermöglicht dendrochronologische Datierungen – ein Schlüssel zur Bauchronologie. (Methoden- und Publikationslage: [5], [11], [12], [14].) (archaeologydataservice.ac.uk)

Bohlenwege über nasse Zonen
Wo Wege versumpften, half Holz: prähistorische Bohlenwege belegen Holznutzung und Transportlogik im norddeutschen Tiefland. Beispiele aus Niedersachsen sind gut dokumentiert – etwa im Naturpark Dümmer oder in der Landesforschung zu Moorwegen. [15][3][11] (Naturparke in Niedersachsen)
Wasserbau in Holz: Siele, Deichhilfsbauten und Faschinen
Siele – vom Baumstamm zum Ziegelbau
Frühe Sielbauwerke waren Holzkonstruktionen: ausgehöhlte Baumstämme mit Klappe; bis ins 19. Jahrhundert wurden Siele überwiegend aus Holz errichtet, erst später übernahm der Ziegel- und Massivbau. [13][17][5] (Ostfriesische Landschaft)
Funktional blieben sie gleich: Binnenwasser bei Ebbe abführen, bei Flut schließen – bis heute Kern der Entwässerung. [5][16] (Landesmuseum Emden)
Deichbau – Holz als temporärer Helfer
Historische Deichbautechnik nutzte Holz für Faschinen, Pfahlreihen, Deckwerke und Bauhilfen. 18.-Jh.-Quellen (z. B. Albert Brahms, 1754; regionale Deichverbände) schildern saisonale Baupraxis und Materiallogik. [8][16] (Deichverband der I. Meile Altenlandes)
Faschinen (Bündel aus Zweigen/Ästen) stabilisieren Böschungen; in heutiger Fachpraxis werden überwiegend Laubholzfaschinen verwendet – Traditionslinie eines alten Wissens. [5][10][13] (schlengenbau.com)

Logistik: Vom Wald zur Wurt – Wege, Wasser, Weserflößerei
Kurzstrecke: Geest → Marsch
Im Elbe-Weser-Dreieck (u. a. Flögeln, Geestinseln) zeigt die Forschung des NIhK dichte Siedlungsgeschichte – mit agrarischer Nutzung, Holzgewinnung und Austauschbeziehungen in die Marsch. [2][6] (nihk.de)
Ferntransport: die Weser als Holz-Autobahn
Überregional kam Holz seit dem Mittelalter per Flößerei die Weser herab – urkundlich ab 13./14. Jh. belegt. Zielräume: Bremen und (später) Bremerhaven; das diente Schiff- und Städtebau, indirekt aber auch Küstenprojekte. [0][1][2][5] (Wikipedia)
Die berühmte Bremer Kogge (1378 datiertes Eichenholz) verweist auf südlichere Wuchsgebiete – ein Indiz für weiträumige Holzströme. [0] (Wikipedia)

Orte & Objekte: Wo sieht man das heute?
- Alt- und Neudeichlinien zwischen Wremen und Dorum: Bögen, Knicke, Wehlen – ideale Lernorte zu Holz-Hilfsbauten und Umdeichung (Kontext). (Allg. Deichkunde: [2], [5], [7], [8].) (nihk.de)
- Museum Burg Bederkesa (Geestland): Feddersen-Wierde-Schau mit Hausmodellen und Grabungsbefunden – exzellenter Einstieg in Materialfragen. [15] (burg-bederkesa.de)
- Deutsches Schifffahrtsmuseum Bremerhaven (DSM): Schifffahrts-, Hafen- und Holztransport-Kontexte; Ausstellung „Schiffswelten“. [1][4][6] (dsm.museum)
4 Begriffe erklärt
- Geest: höher liegende, sandige Landschaft mit früherem Waldreichtum; Rohstoff- und Siedlungsraum. [10] (Wikipedia)
- Marsch: junge, meernahe Niederung mit fruchtbaren Böden – wenig Holz, hoher Schutzbedarf. [3] (kuestenexkursion.de)
- Faschine: gebündelte Äste/Zweige zur Böschungssicherung im Wasserbau. [13] (holzhandel-fehse.de)
- Siel: verschließbarer Durchlass im Deich; ältere Bauformen aus Holz. [13][17] (Ostfriesische Landschaft)
Unser Tipp zum Orte besuchen
Museum Burg Bederkesa (Geestland) | Ausstellung zur Feddersen Wierde (Hausbau, Material). | Burgstraße 3, Geestland – Ortsteil Bad Bederkesa. [15]
Deutsches Schifffahrtsmuseum (Bremerhaven) | Holz- und Warentransport über Weser; Hafen- und Schiffbau. | Hans-Scharoun-Platz 1, Bremerhaven. [1][6]
Altdeich Wremen–Dorum | Sichtbare Deichbögen/Wehlen; Lernort zu Deich- und Sielgeschichte. | Ortsränder Wremen/Dorum. (Allg. Deichkunde: [5], [7], [8])
Viele Orte sind in unserer Google-Maps-Sammlung vermerkt.
Aktuelle Fotos & Wegbeschreibungen zu Highlights finden Sie auf unserer Seite Sehenswürdigkeiten des Land Wursten:
https://www.land-wursten.de/sehenswuerdigkeiten-des-land-wursten/
Besuchsregeln: Deiche sind Schutzbauwerke; Wegegebote beachten. Viele Wiesen/Gräben sind Privatflächen – bitte nicht betreten.
Praxiswissen Küstenschutz heute – und historische Linien
Der NLWKN koordiniert den Küstenschutz in Niedersachsen; die Hauptdeich-Linie umfasst ca. 610 km, insgesamt > 1000 km Deiche. Investitionen seit 1955: rund 3 Mrd. € – Hintergrund: steigende Hochwasser. [2][7] (Niedersachsen Wasserwirtschaft)
Auch wenn heutige Deiche mineralisch-technisch gebaut sind: Das Prinzip bleibt – Standfestigkeit, sichere Entwässerung (Siele/Schöpfwerke), sorgfältige Unterhaltung. Historisch half dabei Holz: als Bau- und Hilfsstoff (Faschinen, Bohlen, Pfähle). [13][8][16] (Ostfriesische Landschaft)
Mikrogeschichte vor Ort: Dorfrouten, Tafeln, Flurnamen
- Wehl-, Brack-, Specken- und **Altendeich-**Namen deuten Material- und Baugeschichte an. (Begriff/Geomorphologie: [3], vgl. Wehlen-Beitrag.) (kuestenexkursion.de)
- Lokale Tafeln zu Deich-, Siel- und Dorfgeschichte finden sich an Kirchen und Deichverbänden (z. B. in Wremen, Dorum, Otterndorf – Land Hadeln angrenzend). Grundlagen zum Siel: [17], [5]. (Niedersächsischer Heimatbund)
Zeitleiste – Holz, Geest & Marsch
- 1.–5. Jh. n. Chr.: Feddersen Wierde – Holzarchitektur in der Marsch; Haus- und Wegefunde. [5][11][12][14] (archaeologydataservice.ac.uk)
- Mittelalter: Erste Deiche, Siele in Holzbauweise; Bohlenwege in Niederungen. [13][3] (Ostfriesische Landschaft)
- 13./14. Jh.: Weserflößerei urkundlich belegt – Holztransport bis Bremen/Bremerhaven. [0] (Wikipedia)
- 17.–18. Jh.: Deichordnungen/Quellen berichten saisonale Baupraxis (Sommerhalbjahr), viel Holzeinsatz als Hilfsstoff. [8] (Deichverband der I. Meile Altenlandes)
- 19. Jh.: Übergang von Holz- zu Ziegel-/Massiv-Sielen; Industrialisierung verändert Transport und Bauweise. [13] (Ostfriesische Landschaft)
- 20.–21. Jh.: Moderne Deichsysteme; Holz verbleibt als Nischen-/Hilfsstoff (z. B. Faschinen). [10][13] (schlengenbau.com)
Quellenlage & Unsicherheiten (transparent)
- Direkte Lieferketten (welcher Wald → welches Bauvorhaben in Wursten) sind nur punktuell urkundlich fassbar. Vieles ergibt sich indiziengestützt: Geest-Waldvorkommen, Marsch-Holzarmut, archäologischer Holzbefund, Fluss-Transport (Weserflößerei). [10][0][5] (Wikipedia)
- Holzarten variieren nach Funktion (Eiche: dauerhaft im Wasser; Nadelholz: lange Längen, v. a. im Fernhandel) – regional unterschiedlich dokumentiert. [5] (Monumente Online)
- Sielbau: Lokal überliefert, aber nicht jede hölzerne Anlage ist erhalten. Denkmalpflege plädiert für Erfassung auch kleinerer Altanlagen. [17] (Niedersächsischer Heimatbund)
Das Wichtigste in Kürze
- Holz von der Geest deckte in der marschgeprägten Küste den Bauholzbedarf – von der Vorzeit bis in die Neuzeit. [10] (Wikipedia)
- In Land Wursten sind Haus- und Wegefunde archäologisch vorbildlich dokumentiert (Feddersen Wierde). [5][11] (archaeologydataservice.ac.uk)
- Siele waren lange Holzbauten; erst im 19. Jh. setzten sich Ziegel/Beton durch. [13] (Ostfriesische Landschaft)
- Faschinen und Bohlen zeigen Holz als Hilfsstoff im Deich- und Wasserbau – eine Tradition mit langer Linie. [8][10] (Deichverband der I. Meile Altenlandes)
- Weserflößerei verband die Wälder im Binnenland mit den Küstenorten – bis nach Bremerhaven. [0] (Wikipedia)
Quellen (Literaturliste)
[0] Flößerei auf der Weser — Wikipedia (Überblick; Belege/Einzelnachweise zur Weserflößerei, Kogge 1378). Abgerufen am 03.10.2025. https://de.wikipedia.org/wiki/Fl%C3%B6%C3%9Ferei_auf_der_Weser
[1] Deutsches Schifffahrtsmuseum (DSM) – Webauftritt. Abgerufen am 03.10.2025. https://www.dsm.museum/
[2] NIhK – Institutsporträt (Küsten- und Siedlungsforschung, Projekte Marsch/Geest). Abgerufen am 03.10.2025. https://nihk.de/institut
[3] Küstenexkursion: Marsch und Geest (Landschafts-/Entstehungsgeschichte). Abgerufen am 03.10.2025. https://kuestenexkursion.de/referate/Marsch_Geest.htm
[4] DSM – Besuch planen (Museumsinfos; Bremerhaven-Kontext). Abgerufen am 03.10.2025. https://www.dsm.museum/besuch-planen
[5] Haarnagel, W. (Hrsg.) (1979): Die Grabung Feddersen Wierde – bibliogr. Nachweise/Rezensionen & Projektseiten (Steiner-Reihe; NIhK-Umfeld). Abgerufen am 03.10.2025. https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/nnu/article/view/52901 ; https://nihk.de/forschung/abgeschlossene-projekte/feddersen-wierde-dorfwurt ; https://openlibrary.org/books/OL21837678M/Feddersen_Wierde
[6] AK Niedersachsen: 75 Jahre NIhK (Projektlandschaft, u. a. Flögeln/Geest). Abgerufen am 03.10.2025. https://ak-niedersachsen.de/mensch-landschaft-meer-75-jahre-niedersaechsisches-institut-fuer-historische-kuestenforschung
[7] NLWKN – Küstenschutz & Deichbau (FAQ) (Deichlängen, Investitionen). Abgerufen am 03.10.2025. https://www.nlwkn.niedersachsen.de/startseite/hochwasser_kustenschutz/kustenschutz/antworten_auf_haufig_gestellte_fragen/kuestenschutz-und-deichbau-in-niedersachsen-45182.html
[8] Deichverband I. Meile Altenland – Deichbau früher und heute (mit Hinweis auf Brahms 1754). Abgerufen am 03.10.2025. https://deichverband-erste-meile.de/deichbau/
[9] Geschichte des Küstenschutzes an der Nordseeküste — Wikipedia (nur ergänzend). Abgerufen am 03.10.2025. https://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_des_K%C3%BCstenschutzes_an_der_Nordseek%C3%BCste
[10] Geest — Wikipedia (nur ergänzend; Grunddefinition/Abgrenzung). Abgerufen am 03.10.2025. https://de.wikipedia.org/wiki/Geest
[11] NIhK – Feddersen Wierde (engl. Projektseite). Abgerufen am 03.10.2025. https://nihk.de/en/research/completed-projects/feddersen-wierde
[12] Schuster (1999): Dating the early layers of the Wurt settlement Feddersen Wierde (PDF, academia.edu). Abgerufen am 03.10.2025. https://www.academia.edu/3645541/
[13] Ostfriesische Landschaft (PDF): Sielbauwerke (Frühformen aus Holz, Entwicklung). Abgerufen am 03.10.2025. https://www.ostfriesischelandschaft.de/fileadmin/user_upload/BILDUNG/Dokumente/Spuren_einer_Kulturlandschaft/Wasserbauwerke/Wasserbauwerke_Sielbauwerke.pdf
[14] British Museum Library / Nachweise zu Haarnagel 1979 (bibliogr.). Abgerufen am 03.10.2025. https://library.britishmuseum.org/bib/269728
[15] Museum Burg Bederkesa: Feddersen Wierde (Museumsseite). Abgerufen am 03.10.2025. https://www.burg-bederkesa.de/archaeologie-im-museum/feddersen-wierde/
[16] Interessengemeinschaft Visquard: Siele & Schöpfwerke (allg. Funktionsbeschreibung; Ostfriesland). Abgerufen am 03.10.2025. https://www.viskeert.de/meerumschlungen/siele-und-sch-pfwerke
[17] Niedersächsischer Heimatbund: Siel (Kulturlandschaftskatalog) (Denkmalpflege-Hinweis). Abgerufen am 03.10.2025. https://niedersaechsischer-heimatbund.de/katalog-historischer-kulturlandschaftsteile/siel/













