Warum der Adler ins Wappen kam
Wer im Land Wursten unterwegs ist, stößt früher oder später auf den halben Adler – auf Ortsschildern, alten Siegeln oder dem Gemeindewappen. Doch warum gerade ein Adler, und warum nur halb?
Eine alte Legende um Kaiser Friedrich Barbarossa erklärt es so: Einst sollen die Friesen dem Kaiser in Rom geholfen haben. Aus Dank erlaubte er ihnen, den kaiserlichen Adler im Wappen zu führen – zur Hälfte, weil sie freie Bauern blieben, nicht Untertanen.
Ob diese Geschichte je so geschah, ist ungewiss. Doch ihre Symbolkraft ist stark: Der Adler wurde zum Zeichen der Wurster Freiheit, zum Sinnbild selbstbewusster Bauern zwischen Meer und Geest.
Der Mythos vom Kaiser in Rom
Die Sage ist im 16. Jahrhundert schriftlich belegt, wahrscheinlich aber älter. Sie erzählt:
Als Kaiser Friedrich I. Barbarossa in Rom belagert wurde, rief er die Friesen zu Hilfe. Die kamen mit Schiffen, halfen ihm aus der Not, und als Dank verlieh der Kaiser ihnen ein besonderes Privileg: Sie durften den halben Reichsadler im Wappen führen – als Zeichen, dass sie „vom Reich frei“ seien.
So wurde der Adler, das Sinnbild kaiserlicher Macht, zum Emblem eines freien Bauerntums. Und während die einen nur das Reich repräsentierten, trug das Land Wursten den halben Adler als Erinnerung an Freiheit, Recht und Eigenständigkeit.
Historiker sehen darin keine echte Verleihung, sondern eine späte Legitimationsgeschichte: ein Versuch, die friesische Selbstverwaltung in ein ehrwürdiges Licht zu rücken. [1]

Was hinter der Legende steckt: Symbol und Selbstbild
Die Geschichte mag erfunden sein, doch sie erzählt viel über das Selbstverständnis der Wurster.
Schon im Mittelalter war der Adler in der Heraldik ein Zeichen für Hoheit und Recht.
Indem man ihn halbierte, verband man sich symbolisch mit dem Reich, ohne sich ihm zu unterwerfen.
Im 15. und 16. Jahrhundert wurde diese Deutung bewusst kultiviert. Während das Land Wursten seine Unabhängigkeit gegen das Erzstift Bremen verteidigte, diente die Adler-Legende als Rechtssymbol – ein kaiserliches „Siegel der Freiheit“, das man nie wirklich besessen, aber gern getragen hat. [2]
„Frei wie der Adler, doch nur halb vom Reich“ – so könnte man das alte Selbstbewusstsein der Küstenbauern zusammenfassen.

Zwischen Mythos und Recht: Der politische Hintergrund
Der Kaiser selbst kam nie nach Wursten. Aber das Bild des Adlers hatte reale politische Wirkung.
In den Jahrhunderten vor der Eingliederung (1525) war das Land Wursten eine Art Bauernrepublik, die sich selbst verwaltete – mit Ratgebern, eigener Willkür (Landesrecht) und Thingversammlungen.
Im Konflikt mit den Bremer Erzbischöfen diente der Adler als Argument:
„Wir sind Reichsfreie, nicht Lehensleute“ – so lautete der Anspruch, der in Urkunden, Wappen und Siegeln weiterlebte.
Diese Berufung auf „kaiserliche Freiheit“ war kein Einzelfall: Auch in Dithmarschen und Friesland finden sich ähnliche Mythen. Gemeinsam bilden sie den norddeutschen Freiheitskanon – halb Legende, halb Erinnerung an echte Selbstbestimmung. [2][3]
Begriff erklärt: Heraldik
Heraldik ist die Lehre von den Wappen.
Sie untersucht, wie Farben, Figuren und Formen in Schildern verwendet werden – und was sie bedeuten.
Im Fall des Land Wursten sind wichtig:
- Der halbe Adler: Sinnbild der Freiheit.
- Kleeblätter & Wellenbalken: Zeichen für Marschland und Küste.
- Gold & Schwarz: klassische Reichsfarben, bewusst übernommen. [1][3]

Was heute sichtbar ist
Wer heute durch die Dörfer der Wurster Nordseeküste fährt, begegnet der Legende überall:
- Gemeindewappen Wurster Nordseeküste: Halber schwarzer Adler mit roten Fängen im goldenen Feld, flankiert von Wellenbalken und Kleeblättern.
- Denkmal Dorum: Das historische Siegel des Landes Wursten mit Adlerfigur, abgebildet auf Tafeln und Druckwerken.
- Kirche St. Urbanus (Dorum): In mehreren Glasfenstern findet sich der Adler als Ornamentmotiv.
- Heimatmuseum Wremen: Ausstellungen zur Wurster Freiheit und Heraldik mit historischen Repliken. [1][3]
🧭 Orte besuchen
1. Dorum – Rathaus & St.-Urbanus-Kirche
Zeigt das Gemeindewappen mit halbem Adler; im Kircheninneren Spuren alter Wappengrafiken.
Lage: Dorum-Ort, Wurster Nordseeküste.
2. Wremen – Heimatmuseum & Dorfplatz
Infotafeln zur Geschichte der Wurster Freiheit, Siegelabdruck mit Adlermotiv.
Lage: Wremer Straße, Zentrum Wremen.
3. Burg Bederkesa (Museum Burg Bederkesa)
Regionale Archäologie und Heraldik: hier wird der historische Kontext der Wurster Autonomie erläutert.
Lage: Burgstraße 2, Bad Bederkesa.
📍 Kartenhinweis: Unsere redaktionelle Google-Maps-Sammlung zeigt alle Orte der „Wurster Freiheit“ (Link folgt).
📸 Aktuelle Fotos & Wegbeschreibungen:
Sehenswürdigkeiten des Land Wursten
Erinnerungskultur: Zwischen Sage und Identität
Im 19. Jahrhundert – zur Zeit der Nationalromantik – erlebte die Barbarossa-Legende eine zweite Blüte.
In Dorfchroniken und Volksbüchern wurde sie als Beweis nationaler und bäuerlicher Tugend gedeutet: Fleiß, Mut, Treue zum Kaiser.
Heute liest man sie anders – nicht als Beweis, sondern als Spiegel:
Sie zeigt, wie Menschen im Land Wursten über Jahrhunderte ihre Freiheit erzählten.
Ob man den Kaiser je traf, spielt dabei keine Rolle.
Wichtiger ist, dass sich die Wurster selbst als freie Bürger verstanden, mit Recht, Stimme und Verantwortung – und der halbe Adler blieb das sichtbare Zeichen dafür. [2]Hinweis zur Quellenlage
Die Barbarossa-Legende ist nicht historisch belegt, sondern als Sage überliefert.
Schriftlich fassbar wird sie erst in frühneuzeitlichen Chroniken und später in volkskundlichen Sammlungen.
Die Verbindung zwischen Kaiser und Land Wursten ist symbolisch, nicht urkundlich – doch die heraldischen Motive sind amtlich belegt. [1][2][3]
Diese Kombination aus Mythos und Amtswappen macht sie zu einem Beispiel dafür, wie Erinnerung und Verwaltung miteinander verschmelzen.
Was Du hier lernen konntest
- Die Barbarossa-Legende erklärt, warum der Adler Symbol der Wurster Freiheit wurde – nicht als Fakt, sondern als Erzählung.
- Der halbe Adler im Wappen steht für Unabhängigkeit und Eigenrecht.
- Mythos und Geschichte ergänzen sich: Sage als Selbstbeschreibung, Wappen als Rechtsdokument.
- Die Spuren reichen von Siegeln und Glasfenstern bis zu modernen Gemeindewappen.
- Wer den Adler sieht, sieht ein Stück Wurster Identität – halb Legende, halb Geschichte.
Quellen
[1] Landkreis Cuxhaven – Wappenbeschreibung Wurster Nordseeküste. Amtliche Heraldik- und Symbolerläuterung. Abgerufen am: 05.10.2025.
https://landkreis-cuxhaven.de/Landkreis-Politik/Wappen
[2] Kreis Nordfriesland / Nordfriisk Instituut – Das alte Friesenwappen. Fiete Pingel (o. J.). Historische und heraldische Einordnung des halben Adlers. Abgerufen am: 05.10.2025.
https://www.nordfriesland.de/Kreis-Verwaltung/Zahlen-Daten-Fakten/Wappen/Das-alte-Friesenwappen
[3] Wikipedia – Liste der Wappen im Landkreis Cuxhaven. Übersicht amtlicher Blasonierungen und Symbolik. Abgerufen am: 05.10.2025.
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Wappen_im_Landkreis_Cuxhaven
(Transparenzhinweis: [1] amtlich, [2] wissenschaftlich kommentiert, [3] ergänzend.)













