Söldnerzug und Wurster Gegenwehr
Die 1499 Schwarze Garde gilt als eine der markantesten Episoden der Wurster Freiheit. Ein berüchtigtes Söldnerregiment marschiert im Auftrag des lauenburgischen Herzogs Magnus in die Marsch. Die Wurster – Bauern, Handwerker, Fischer – stellen sich entgegen. Kein Heldenspektakel, eher kühle Topografie: Deich, Siel, Specken. Am Ende steht eine Niederlage der Söldner im Raum Weddewarden – ein Vorgeschmack auf spätere Küstenkriege, aber auch ein Lehrstück über lokale Ordnung und Gelände. Dieser Beitrag führt dich ruhig durch die Ereignisse, klärt Begriffe und nennt Orte, an denen Geschichte bis heute anfassbar ist. [1][2][3]

Ausgangslage: Warum zog die Schwarze Garde überhaupt an die Küste?
Im späten 15. Jahrhundert liegt das Land Wursten zwischen großen Interessen. Die Bauernrepublik verwaltet sich selbst, nach friesischer Tradition, mit Landsgemeinde und 16 Ratgebern. Genau das stört Nachbarn: Sachsen-Lauenburg und das Erzstift Bremen ringen um Einfluss, Abgaben und Gerichtshoheit. Herzog Magnus baut ab 1498 militärischen Druck auf; ihm dient ein professionelles Söldnerregiment – die „Schwarze Garde“ (ca. 4000 Mann). Ziel: die Küstenbauern in ein Abhängigkeitsverhältnis zu zwingen. [1]
Die Wurster antworten nicht mit höfischer Diplomatie, sondern mit Organisation: Kirchspiel-Aufgebote, Deich- und Sielpflichten, verlässliche Wegeführung auf Specken (den erhöhten Marschwegen). Diese Mischung aus Rechtsordnung und Geländekenntnis ist ihre eigentliche Stärke – und bildet den Rahmen der Ereignisse von 1499. [3]
Der Schauplatz: Weddewarden, Specken und der „Graue Wall“
Die überlieferten Hinweise verorten das Gefecht der 1499 Schwarzen Garde in den Bereich des Weddewardener Specken und des „Grauen Walls“ – nördlich des heutigen Bremerhavener Stadtgebiets, am Übergang von der Geestkante zur Marsch. Warum ausgerechnet dort?
- Specken sind alte, leicht erhöhte Wege durch nasse Marsch. Sie bündeln Bewegung – und werden zu Engstellen.
- Deiche und Sieltore regulieren Wasser. Wer sie bedient, steuert Gelände.
- Gräben, Priele und Wehlen schaffen natürliche Sperren – und Fallen für Ortsfremde.
Für Söldner, die die Marsch nicht „lesen“, wird so eine vermeintlich flache Landschaft zur Taktikmaschine der Einheimischen. [2]
1499: Der Söldnerzug – und das Umschlagen des Geländevorteils
Was wir sicher wissen
Quellen aus Biografie und Regionalchronik stimmen im Kern überein: Die Schwarze Garde zog 1499 in Richtung Wursten, wurde bei Weddewarden geschlagen und wandte sich danach anderen Zielen zu. Der Tag der Niederlage wird als 26.12.1499 genannt. [1] Das Ereignis war groß genug, um in überregionalen Lebensbeschreibungen von Herzog Magnus vermerkt zu werden. [1]

Was lokale Überlieferung ergänzt
Die Wremer Chronik überliefert, die Wurster hätten Sieltore geöffnet und das Sietland geflutet – ein klassisches Mittel der Küstenverteidigung. In Folge seien die Söldner am Weddewardener Specken / Grauer Wall in Schwierigkeiten geraten und geschlagen worden. Diese Details passen zur Marsch-Logik (Deich, Siel, Übergang). Exakte Truppenstärken und Manöver bleiben jedoch unsicher. [2]
Quellenlage – kurz und klar
Gesichert: 1499, Weddewarden, Niederlage der Schwarzen Garde. [1]
Indiziengestützt: Gezielte Wassernutzung (geöffnete Sieltore), Engstellen auf Specken. [2]
Unklar: Aufstellung, Zahlen, genaue Positionen im Gelände. (Fluren wandelten sich; schriftliche Details sind dünn.)
Einordnung: Zwischen Rechtsordnung und Gewalt
Die Schwarze Garde war kein Räubertrupp, sondern professionelles Kriegsgerät ihrer Zeit: Landsknechte, erfahren, mobil, mit zeitgemäßen Waffen. Die Wurster waren Aufgebote – Bauern mit Spießen und Haken, dazu wenige Hakenbüchsen. Warum obsiegten die Einheimischen?
- Friesische Ordnung: Die Wurster lebten nicht in Anarchie. Landsgemeinde und Ratgeber organisierten Wehr- und Deichpflicht – das gab Handlungsfähigkeit. [3]
- Marsch lesen: Wer Sielzeiten, Priele und Wege kennt, entscheidet Begegnungen.
- Zielsetzung: Für die Wurster ging es um Heimat, für Söldner um Sold – das wirkt sich auf Aufmerksamkeit und Risiko aus (meinungsbetonte Einordnung).
Personen im Blick: Herzog Magnus – Gegner mit Agenda
Magnus I. von Sachsen-Lauenburg (†1543) kämpfte seit 1498 um Vorrechte in den Marschlanden, darunter Hadeln und Wursten. Er setzte auf die Schwarze Garde, um Fakten zu schaffen. Hadeln konnte er halten; in Wursten scheiterte er 1499. Die Niederlage minderte seinen Zugriff auf die Wurster – und verschob den Konflikt zurück in die Bremen-Lauenburg-Achse. [1]
Beleg: Die Neue Deutsche Biographie nennt ausdrücklich die Niederlage der Schwarzen Garde bei Weddewarden (26.12.1499). [1]
Was heute sichtbar ist – Spuren in der Landschaft
- Altdeichzüge nördlich von Bremerhaven: Linien im Gelände, die alte Sperrsysteme erahnen lassen.
- Specken-Reste: schmale, erhöhte Wege in der Marsch, heute oft als Feldwege, stellenweise nur noch Reliefspuren.
- Gedenkorte im Kontext: Am Wremer Tief erinnert ein Stein an die Gefechte von 1517 – zwar nicht 1499, aber Teil derselben Konfliktkette.
- Museen: Burg Bederkesa zeigt die regionale Burg- und Machtlandschaft der Zeit; Karten helfen, Wege und Ansprüche einzuordnen. [1]

Begriff erklärt: Drei Schlüssel zur Marsch
- Specken: alte, leicht erhöhte Marschwege; führen trocken durch nasses Gelände.
- Sieltore: Schleusen im Deich; sie lassen bei Ebbe Wasser ab und halten bei Flut. Gezielt geöffnet können sie Gelände fluten.
- Wehle: runde Senke/Teich nach Deichbruch; Hinweis auf frühere Hochwasser.
Zeitleiste 1484–1500
- 1484: Wurster Abwehr bei Alsum – erster Prüfstein der Autonomie. (Kontext) [2]
- 1498: Magnus startet Fehde, wirbt die Schwarze Garde an. [1]
- 1499 (26.12.): Niederlage der Schwarzen Garde bei Weddewarden. [1]
- 1500: Befriedung zwischen Rode (Erzstift Bremen) und Magnus; Autonomierechte der Wurster bleiben (vorerst) bestätigt. (Kontext) [1]
Orte besuchen
Weddewardener Specken / „Grauer Wall“ (Bremerhaven-Nord) | Vermutetes Umfeld des Gefechts von 1499: Übergänge zwischen Geest und Marsch, alte Wegebeziehungen. Lage: nördlicher Stadtrand Bremerhaven, Bereich Weddewarden/Deich. Hinweis: Teilweise Privat-/Wirtschaftsflächen; Wegegebot beachten.
Burg Bederkesa – Archäologisches Museum | Burg- und Machtlandschaft der Region; Karten & Modelle zur spätmittelalterlichen Vernetzung. Lage: Bad Bederkesa, Burgstraße. [1]
Wremer Tief (Gedenkstein 1517) | Kontextort der Konfliktkette; stiller Ort am Deich. Lage: Deichabschnitt zwischen Wremen und Imsum.
Sieverdyshamm / Wehlsbrücke (Misselwarden) | Thing-Ort, Rechtssetzung 1508 – zeigt die innere Ordnung der Wurster. Lage: Feldweg östlich Misselwarden; Gedenkstein. (Wegegebot)
Kartenhinweis: Unsere Marker findest du gesammelt in der Google-Maps-Sammlung der Redaktion (Link folgt).
Mehr Bilder & Wegbeschreibungen:
Aktuelle Fotos & Wegbeschreibungen zu Highlights finden Sie auf unserer Seite Sehenswürdigkeiten des Land Wursten: https://www.land-wursten.de/sehenswuerdigkeiten-des-land-wursten/
Erinnerungskultur: Was blieb von 1499?
Die Schwarze Garde ist heute kein großes Symbol, aber ein stiller Drehpunkt. In der lokalen Erzählung markiert 1499: „Wir konnten uns wehren, wenn wir zusammenstanden und das Gelände klug nutzten.“ Das ist kein Mythos, sondern indiziengestützt. Gleichzeitig mahnt der Blick auf 1517/1524: Erfolg blieb nicht dauerhaft – die Machtachsen waren stärker. [1][2]
Methoden & Quellenkritik – kurz
Prosopografie: Der Personalschlüssel liegt bei Herzog Magnus (Führungsentscheider) und den Landsknechten (Schwarze Garde). Deutsche Biographie und bavarikon sichern Datenlage, Datierung (26.12.1499) und Niederlage. [1]
Urkundenlage: Direkte Gefechtsberichte sind spärlich. Regionalchroniken (z. B. Wremer Chronik) verdichten überliefertes Wissen, nennen Grauer Wall / Weddewardener Specken, geöffnete Sieltore, Flutung. Das passt zur Küstenpraxis, bleibt aber quellenkritisch zu lesen (Topografie-Analogie statt Augenzeugenprotokoll). [2]
Friesischer Rahmen: Für die innere Ordnung hilft der Blick auf Upstalsboom und friesische Landesgemeinden: Selbstverwaltung, gemeinsamer Schutz, Konsenspflicht – der kulturelle Hintergrund der Wurster. [3]
„Quellenlage & Unsicherheiten“ (Infokasten)
- Gesichert: Niederlage der Schwarzen Garde bei Weddewarden am 26.12.1499; Kontext Magnus vs. Erzstift Bremen. [1]
- Plausibel: Taktik über Sieltore/Wasser, Engstellen auf Specken („Grauer Wall“). [2]
- Offen: Exakte Kartenpunkte, Aufstellungen, Verluste.
- Hinweis: Landschaft hat sich verändert; wir arbeiten mit Relief, Flurnamen, Deichgeschichte.
Was es hier zu lernen gab:
- Marsch schlägt Masse: Deiche, Sieltore und Specken machten 1499 den Unterschied.
- Ordnung ist Kraft: Friesische Landsgemeinde und Ratgeber gaben Handlungsfähigkeit. [3]
- Grenze des Erfolgs: 1499 war Sieg, aber kein Schlussstrich – die Konfliktkette führt zu 1517/1524. [1][2]
- Spuren sind leise: Du findest Altdeiche, Wege, Gedenksteine – keine Burgruinen.
- Besuch lohnt: Burg Bederkesa, Weddewardener Deich, Wremer Tief – drei Stationen, die Geschichte im Gelände erklären. [1]
Quellen
[1] Magnus I. Herzog von Sachsen-Lauenburg (NDB-Artikel, PDF). — Deutsche Biographie / Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (2025, Online-PDF). Belegt u. a. die Niederlage der Schwarzen Garde bei Weddewarden am 26.12.1499; Kontext der Fehde mit dem Erzstift Bremen. Abgerufen am: 05. Oktober 2025. https://www.deutsche-biographie.de/downloadPDF?url=sfz55639.pdf (Deutsche Biographie)
[2] Geschichte – Wurster Freiheit 1524 (Wremer Chronik, PDF). — Wremer Chronik / lokale Geschichtsseite (o. J.). Lokalhistorische Zusammenfassung mit Nennung von „Grauer Wall / Weddewardener Specken“, geöffneten Sieltoren und Niederlage der Schwarzen Garde. Abgerufen am: 05. Oktober 2025. https://www.wremer-chronik.de/wp-content/uploads/2018/02/Geschichte-neu.pdf (wremer-chronik.de)
[3] Der Upstalsboom – Die Friesische Freiheit. — Historisches Museum Aurich (o. J.). Hintergrund zur friesischen Selbstverwaltung und den Landesgemeinden; kulturelle Einordnung der Wurster Ordnungspraxis. Abgerufen am: 05. Oktober 2025. https://www.museum-aurich.de/museum/der-upstalsboom-die-friesische-freiheit.html (museum-aurich.de)
Hinweis: Weitere Belege (z. B. Ostfriesische Landschaft zum Upstalsboom, kommunale Seiten zu Neuenwalde 1500) wurden eingesehen, aber nicht zitiert, um die Quellenzahl bewusst bei drei unterschiedlichen Typen zu halten.













